Artikel Ornis 5 / 22 Sektionsportrait NVV Aesch-Pfeffingen 3 x 100 Jahre Vogelschutz

Von links: Gerhard von Ah, Tatjana Nebel und Otto Pfister
vom Vorstand des NVV Aesch-Pfeffingen auf der aufgewerteten Bachagger-Parzelle.

Sternförmig reichen die Agglomerationsarme von Basel bis weit in die umgebenden Täler hinein. Einer dieser Arme aus Wohn- und Gewerbegebieten verläuft der Birs entlang in Richtung Süden. Dort, wo der Fluss die Eggflue umfliesst, liegen die Gemeinden Aesch und Pfeffingen BL.
Während Aesch sich in der Ebene ausbreitet, zieht sich Pfeffingen den Nordhang des Blauen hoch.
Seit 1922 gibt es in Aesch-Pfeffingen einen Verein, der sich ums Wohl der Vögel kümmert.

2022 feiern die gut 130 Mitglieder des heutigen Natur- und Vogelschutzvereins nun das 100-Jahre-Jubiläum, gemeinsam mit BirdLife Schweiz und BirdLife International. «3 x 100 Jahre Vogelschutz
– das ist eine einmalige Gelegenheit, den NVV Aesch-Pfeffingen bekannter zu machen», freut sich Gerhard von Ah, Vizepräsident der Sektion. Zum Jubiläum hat der Vorstand einen ganzen Strauss an Aktionen zusammengestellt. Darunter sind nebst anderem zwei neue Mehlschwalbenhotels,
eine Standaktion mit den BirdLife-Insektenflugsimulatoren (siehe Ornis 2/22), Nistkastenbau für Kinder, ein Jubiläums-Jahreskalender, eine Fotoausstellung, der Verkauf von Wildsträuchern und Nistkästen am Dorfmarkt sowie eine Jubiläumsreise.
Auch erstrahlt nun die Homepage des Vereins in neuem Glanz.
25 Hektaren für die Natur
Das Highlight des Jubiläumsjahrs ist aber das Projekt Fiechtenagger.
Auf Initiative der Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter plant der NVV Aesch-Pfeffingen auf der 25 ha grossen Fläche mit verschiedenen Akteuren Aufwertungen für Feldlerche, Feldhase & Co.

Der Fiechtenagger gehört zu den 140 Naturjuwelen-Projekten, dank derer BirdLife Schweiz zusammen mit den Sektionen wertvolle Lebensräume in der ganzen Schweiz schafft.
Noch ist vor Ort nicht viel zu sehen. Trotzdem ahnt man bereits, wie abwechslungsreich der Fiech-
tenagger werden soll. Schliesslich liegt das Vorbild gleich nebenan: In der Reinacher bzw. Aescher Ebene werten die beteiligten Bauernbetriebe und die umliegenden Naturschutzvereine zusammen mit dem Basellandschaftlichen Natur- und Vogelschutzverband (BNV) und dem Kanton seit gut 25 Jahren das grösste zusammenhängende Ackerbaugebiet des Baselbiets auf. Buntbrachen, kleine Feldgehölze, Hochstammobstbäume und Kleinstrukturen bieten Nahrungsgrundlagen und Fortpflanzungsorte für Goldammer, Neuntöter, Schwarzkehlchen, Dorngrasmücke, Stieglitz und viele mehr.

Der NVV Aesch-Pfeffingen beteiligt sich seit Jahrzehnten am Projekt. Dank der Massnahmen haben die Vogelpopulationen stark zugenommen. Um ein Haar wäre diese ökologisch wertvolle Agrarfläche übrigens dem diesjährigen Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest zum Opfer gefallen. «Wenn wir uns nicht vor sechs Jahren gemeinsam mit den betroffenen Landwirtinnen und Landwirten gegen die Pläne der Gemeinde und des Schwingerverbands gewehrt hätten, wären die hier geschaffenen Naturwerte unwiederbringlich zunichte gemacht worden», erklärt von Ah. «Die jahrzehntelange Aufbauarbeit wäre für die Katz gewesen». Das «Eidgenössische» ging nun in Pratteln über die Bühne.

Der Fiechtenagger: ein Glücksfall

Der Fiechtenagger ist bemerkenswert, weil der NVV Aesch-Pfeffingen in diesem Fall von den Bewirtschaftenden direkt angefragt wurde. «Normalerweise müssen wir dafür kämpfen, irgendwo eine Aufwertung machen zu dürfen», erklärt von Ah.
So hatten die Naturschützerinnen und Naturschützer über lange Zeit die etwas mehr als eine Hektare grosse Parzelle Bachagger im Blick. Sie suchten das Gespräch mit dem Besitzer. 2018 überliess dieser die leicht vernachlässigte Hochstammobstwiese mit den alten Bäumen dem Verein zur Aufwertung. Neben die alten Obstbäume pflanzten die Mitglieder Jungbäume mit alten Sorten von Pro Specie Rara und eine Niederhecke.
Als Versuch legten sie auch eine Benjeshecke an. Bei dieser handelt es sich um lockere Aufschichtungen
von Ästen und Zweigen, aus denen sich durch Samenanflug und einzelne Initialpflanzungen eine Hecke entwickeln soll. Streifen mit Altgras zeigen, dass hier gestaffelt gemäht wird. Für besonders seltene Vogelarten des Kulturlands wurden Bruthilfen eingerichtet: Ein Wiedehopfkasten steht am Boden, an einem Baum wartet eine Brutröhre auf den Steinkauz. «Letztes Jahr wurde bereits einer der kleinen Käuze gesichtet», weiss Vorstandsmitglied Otto Pfister zu berichten, «gebrütet hat er aber noch nicht».
Angrenzend an die Parzelle liegt ein Wiesenstreifen, der ebenfalls viel Potenzial hat. «Schön wäre es, auch diese Wiese aufwerten zu können», meint Tatjana Nebel, Vorstandsmitglied und Kassierin des Vereins. «Sie gehört der Gemeinde, da müsste doch etwas zu machen sein!»
Seit Langem laufen auch die ökologischen Aufwertungen der Weinbaugenossenschaft Aesch im Rebberg Klus-Tschäpperli, wo der Verein die Co-Trägerschaft innehat. Unter anderem wurden Trockenmauern freigelegt, Kleinstrukturen erstellt und Nistkästen für Wendehals, Wiedehopf und Gartenrotschwanz eingerichtet.

Mit Schaufel und Social Media

Sieben Personen umfasst der Vorstand des NVV Aesch-Pfeffingen. Da kommen ganz unterschiedliche Kompetenzen zusammen. Otto Pfister zum Beispiel hat dafür gesorgt, dass der Verein neu in den sozialen Medien aktiv ist. Auf seiner Pendenzenliste stehen auch Spaziergänge inkl. Naturbeobachtungen für die Bewohnerinnen und Bewohner. «Nur so können wir sie für unsere Naturwerte begeistern», ist Pfister überzeugt.
«Mit den Vorträgen, Exkursionen und Grundkursen, die wir teilweise zusammen mit anderen Sektionen anbieten, richten wir uns eher an ein Publikum, das bereits für unsere Anliegen sensibilisiert ist.»
Für Gerhard von Ah wiederum stehen die Arbeiten mit Schaufel und Pickel sowie das Networking im Zentrum. «Ich bin weniger der Typ für die sozialen Medien», schmunzelt er; «dafür habe ich langjährige persönliche Kontakte zu Bauernfamilien, Förstern und Naturschutzorganisationen.
Was entscheidend dazu beiträgt, Naturschutzprojekte zu realisieren.»
Allen ist es ein grosses Anliegen, mehr junge Leute für die Natur und wenn möglich auch für ein Engagement im Verein zu gewinnen. Für Tatjana Nebel sind Vereine wie die Ökogemeinde Binningen oder Urban Agriculture Basel Vorbilder; sie können für ihre Ziele viele junge Menschen mobilisieren. «Ihnen muss man ein gut gepflegtes Infotainment bieten – etwa Filmchen fürs Handy, die motivierend und lustig sind», ist Tatjana überzeugt.

Die BirdLife-Sektion müsse eine Vision entwickeln, die zeige, wo sie in 10 oder 20 Jahren stehen will. «Wir sollten mutiger sein und uns mehr nach vorne orientieren», sagt sie. «Vielleicht sollten wir
die Kräfte bündeln und einen Regionalverband Birseck gründen.» Der würde den ganzen Siedlungsstrang entlang der Birs umfassen und von Aesch bis Münchenstein reichen.
Im Vorstand des NVV Aesch-Pfeffingen kommen solides Naturschutzhandwerk und innovative Ideen zusammen. Das sind gute Voraussetzungen, um an Wirkung und Sichtbarkeit zu gewinnen – und nach
dem Fiechtenagger weitere Naturjuwelen zum Strahlen zu bringen.
Ganz nach dem Slogan des Vereins: «Für die Natur – mit der Natur».
Dr. Daniela Pauli ist Redaktorin von Ornis.